Publizistische Intention der Ausstellungen
Gerne erinnere ich mich an Autorenlesungen während meiner Studentenzeit in Freiburg Mitte der 90er Jahre. In kleinen urigen Buchläden und Cafes wurden ein paar Stühle zusammengestellt, ein Tisch mit Kerze und Wasserglas frontal positioniert und ein eher unbekannter Autor eingeladen, um aus seinen Werken vorzulesen.
Diesen Veranstaltungen wohnte stets ein Zauber inne. Plötzlich wurde ich mit einer erfrischend anderen Weltanschauung konfrontiert- in mir regte sich Protest, Widerstand aber auch Zustimmung und Erstaunen. Noch Monate später setzte ich mich mit dem Gehörten auseinander.
Ein Autor hat die Absicht, eine bestimmte Weltanschauung unters Volk zu bringen. Er ist Werbeträger und Missionar zugleich und verfolgt damit im eigentlichen Sinne ein publizistisches Ziel.
Meine erlebnispädagogischen Ausstellungen widmen sich genau diesem Ansinnen: Ersetzen wir Buchläden und Cafes durch Rathäuser, Schulen und Kirchenräume, aus den paar Stühlen wird eine aufwendig gestaltete Erzählkulisse, aus dem Autor wird ein geschultes Team von Reiseleitern, die sich an einem komprimiertem Buch (=Skript) orientieren und die Besuchergruppen durch die Ausstellungen führen.
Würde ein Buch zum Thema nicht reichen? Weshalb sollen sich Veranstalter diesen Aufwand antun und Räume reservieren, beim Auf- und Abbau helfen, Werbung machen und hunderte von Menschen durch die Ausstellung führen?
Weil die Ausstellungen darauf setzen, einen kollektiven Erlebnisraum zu schaffen, der mit einer bestimmten Weltanschauung konfrontiert. Die Besucher werden so zu einem unverzichtbaren Teil einer wunderbaren großen Geschichte, die wir nur vor dem Hintergrund des jüdisch- christlichen Glaubens als Fundament unserer modernen Gesellschaft verstehen können.
Bücher werden einmal gedruckt- danach ist es recht schwierig, ihren Inhalt anzupassen, zu erweitern oder auch zu korrigieren. Anders bei den Ausstellungen, die sich ständig wandeln und den Lebenswirklichkeitem anpassen:
So sah ich mich bei Ausstellungen in den neuen Bundesländern mit der Frage konfrontiert, wie das Grundgesetz mehr zu einer Herzensangelegenheit der gesamtdeutschen Bevölkerung werden kann. Neue Stationen sind hier entstanden, u.a. ein Trabant, der eine Mauer mit beschrifteten Steinen umstürzt, eine Stimmencollage, welche den Mauerfall vertont und eine große Billiard - Kugelbahn, die in 15 Sekunden die überschlagenden Ereignisse des Mauerfalls visualisiert.
Eine Pandemie stellt so selbstverständlich geglaubte Grundrechte in Frage und wir erkennen, wie wertvoll diese sind. Aber wir stellen auch fest: Einschränkungen sind sehr wohl mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine neue Station widmet sich daher den Erkenntnissen, die wir uns buchstäblich neu auf die Fahne schreiben müssen.
Der jahrelangen Proklamation, dass Frieden schaffen am besten ohne Waffen geht und wir nur so dem Friedensgebot der Präambel des Grundgesetzes gerecht werden, folgt dieser Tage die bittere Erkenntnis, dass Waffen(-lieferungen) sehr wohl der Friedenssicherung dienen können und dass diplomatische Lösungen nur dann greifen können, wenn beide Seiten dies wollen. Also TippEx ansetzen und Inhalt im Skript ändern: Wer kriegslüsternde, alternde „Präsidenten“ einsam sitzend an endlos langen Konferenztischen zum Nachbarn hat, braucht schwere Waffen um sich zu verteidigen, bzw. seinerseits eine militärische Drohkulisse, die den Aggressor in Schacht hält - Punkt.
Zugegeben, diese Erkenntnis kollidiert dieser Tage gehörig mit dem Wunsch nach einer gesamtgesellschaftliche Rückbesinnung auf jüdisch- christliche Werte die Spaltungen und Kriegstreiberei überwinden und den Autokratien dieser Welt demokratische Rechtstaatlicheit entgegenstellen. Die Ausstellungen möchten die schleichende Säkularisierung unserer Gesellschaft als das entlarven, was es ist: Knechtschaft statt Freiheit. Jene Säkularisierung, die sich in den schwindenden Mitgliederzahlen der Volkskirchen manifestiert, den Skandalen einiger Kirchenoberen, die in der öffentlichen Wahrnehmung mehr und mehr zu einer überbezahlten Verwaltungselite einer immer weniger vorhandenen Herde mutieren, wo sie doch eigentlich seelsorgerliche Hirten und Propheten sein sollten, welche die Menschen motivieren, trösten und auch ermahnen. So entstehen jenseits der Kirchen neue Religionen und weite Teile der Bevölkerung vernebeln ihre Sinne zunehmend im Konsumrausch. Die Selbstsucht wird zunehmend salonfähig: Wir errichten Fassaden und gaukeln anderen eine falsche Identität vor. Gerne tragen wir unseren Wohlstand zur Schau, brüsten uns mit kostspieligen, ökonomisch fatalen Fernreisen, werden zu Wut- und Empörungsbürgern, die sich darauf reduzieren, Ihre Meinung in die Weiten des Internets hinauszupusten und andere Sichtweisen nicht mehr aushalten können.
Wir geben ständig neue Parolen heraus, denen der Mainstream zu folgen hat: Mal müssen wir uns im gendern gegenseitig überbieten und unsere an sich schöne deutsche Sprache völlig vor die Wand fahren, mal wird die Quotenfrau zur neuen Maxime erhoben und hinter einer überwiegend männlichen Belegschaft gleich eine bösartige Diskriminierung ausgemacht.
Mit Gerichtsurteilen kehren wir die letzten Kruzifixe aus den Amtsstuben und Schulgebäuden und ignorieren zugleich die Verbreitung von Parallelgesellschaften, die sich fortschreitend radikalisieren. Die einst großzügig verschenkte (doppelte) Staatsbürgerschaft fällt uns heute auf die Füße wenn deutlich wird, dass sie allzuoft eben keine gesellschaftsintegrierende und verfassungstreue Wirkung zeigt, sondern radikale Kräfte stärkt. Und wehe, jemand beklagt diese Mißstände- dann wird gleich mit ihm die Sau durchs Dorf getrieben...
Mit Hilfe von Tunneln, Barrieren und Fahrverboten helfen wir Kröten über die Straße. Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft, in der vielen Menschen das Lebensrecht verwehrt bleibt. Bei zumeist sozial begründeten über 100.000 Abtreibungen im Jahr sprechen wir dem Selbstbestimmungsrecht der Mutter alles, und dem Kind in ihrem Bauch nichts zu, gerade so, als hätte das ungeborene Kind keine Menschenwürde. Diese wird jedoch jedem Menschen lt. unserer Verfassung bereits vor der Geburt uneingeschränkt zugesprochen:
„1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG“ (BVerfG, 28.05.1993 - 2 BvF 2/90).
Liebe Mitbürger: Wir müssen reden. Vorurteilsfrei, ergebnisoffen, hörend und grundgesetzorientiert.
Unsere Gesellschaft braucht eine kollektive Rückbesinnung auf diese Schöpfungsordnung, die im jüdisch-christlichen Glauben gründet. Mir ist bewusst, dass persönlicher Glaube niemals verordnet werden kann. Zugleich liegt mir am Herzen, einen verloren gegangenen Zugang zum jüdisch - christlichen Glauben frei zu legen und dafür zu werben.
Nicht im Sinne einer frommen Insel, die hinter hohen Kirchenmauern in trauter Glückseligkeit ihr Absonderungsdasein fristet- sondern im Sinne einer gesellschaftsimmanenten Weltanschauung der wir Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde verdanken. Folglich gehört der jüdisch-christliche Glaube (=Fach Religion) völlig zu Recht als einzig genanntes ordentliches Lehrfach in unser Grundgesetz.
Gleichzeitig bin ich überaus dankbar, auch mit Menschen zusammen zu kommen, die anders glauben und denken als ich. Die Ausstellungen helfen uns, gemeinsame Herzensüberzeugungen zu benennen, grundlegende Werte, die uns alle miteinander verbinden.
Die aktuell 4 Ausstellungen wirken auf den ersten Blick sehr verschieden. Tatsächlich gehören sie eng zusammen: Während sich "OsternErlebt!" und "Why-nachten?!" mit den Ursprüngen des jüdisch-christlichen Glaubens beschäftigen, erzählen "In bester Verfassung!" und "Leben unterm Hakenkreuz" von dessen Wirkungsgeschichte. Und alle Ausstellungen werben für die Rückbesinnung auf einen allmächtigen Gott, der auch heute noch regiert und jeden einzelnen Menschen ganz tief in sein Herz geschrieben hat.
Denk ich an Deutschland, dann denke ich an ein Land mit einer reichen Geschichte, dem Mutterland der Reformation, großer Dichter und Denker, bahnbrechender Erfinder, diakonischer Persönlichkeiten, und beispielloser Sozialsysteme. Aber da ist auch ein Land tiefer Abgründe, wie den Vernichtungskriegen, den Völkermorden und dem Holocaust des 20. Jahrhunderts - die wohl fatalsten Früchte menschlicher Selbstsucht.
Gleich mehrfach in unserer Geschichte begründete eine Rückbesinnung auf den jüdisch-christlichen Glauben einen gesellschaftlichen Neuanfang: Reformation, Weimarer Republik, Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und die friedliche Revolution in der „DDR“, sind nur einige dieser Wegmarken, die wie Lichter in der Dunkelheit aufleuchten.
So möchte auch ich mit den Ausstellungen gemeinsam mit den Veranstaltern vor Ort ein Lichtträger sein, um mit meinen bescheidenen Möglichkeiten unsere Gesellschaft und diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Tim Behrensmeier