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17.06.2020

Muss die “Rasse” (Art.3 Abs. 3) aus dem Grundgesetz?

Angesichts der aktuellen Rassismusdebatte plädieren verschiedene Politiker für eine Änderung des Wortes “Rassismus” im Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes.
Es lässt sich nicht leugnen, Menschen werden aufgrund Ihrer Herkunft diskriminiert: Affenrufe im Station, während ein afrikastämmiger Fußballer in Erscheinung tritt, Benachteiligungen von arabischstämmigen Mitbürgern auf dem Wohnungsmarkt, die Angst der wenigen Juden in Deutschland, in der Öffentlichkeit eine Kippa zu tragen, aber auch das ein oder andere blonde, blauäugige Mädchen an einer Brennpunktschule, welches als einzige in der Klasse deutsch als Muttersprache spricht, werden dieser Tage Rassismusopfer.
In der Zeit des Kolonialismus wurden im Rahmen der sogenannten „Rassenforschung“ verschiedene Menschengruppen kategorisiert und bewertet. So konnten sadistische „Herrenmenschen“, wie Dr. Carl Peters bereits im vorletzten Jahrhundert die Ausbeutung der deutschen Kolonien vorantreiben und rechtfertigen. Legitimiert wurden Menschenhandel, Sklaverei, Vergewaltigungen und Schreckensherrschaft mit der angeblichen Überlegenheit des weißen Europäers, gegenüber dem vermeintlich primitiven und kulturlosen schwarzen Ureinwohner.
Der unrühmliche deutsche Kolonialismus ist seit langem Geschichte- das Denken dahinter keineswegs. Hitler knüpfte nach seiner Machtergreifung 1933 an diesem immanenten Rassismus an und trieb ihn durch die Nürnberger Rassegesetze und die Endlösung der Judenfrage auf die fatale Spitze.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren Zeitzeugen des dt. Kolonialismus, des Kaiserreiches und des Nationalsozialismus und haben eine Welt erlebt, in der die Würde des Menschen nichts galt.
Um zukünftige Generationen vor Rassismus zu bewahren, verankerte der Parlamentarische Rat 1949 in Artikel 3 Absatz 3 eine Säule unseres Rechtsstaates: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Der zweite Absatz räumt bereits ein, dass die Beseitigung von Nachteilen ein fortwährender, wohl nie ganz abgeschlossener Prozess sein wird. Auch wenn hier explizit von der Gleichberechtigung der Frau die Rede ist, gilt dieses Bemühen doch für alle aufgeführten Merkmale, des dritten Absatzes.
Gleichheit und Gleichberechtigung muss demnach immer wieder errungen werden, da der Mensch dazu neigt, andere in rassistische Schematas einzuordnen.
Beim lohnenswerten Kampf für die Gleichberechtigung gibt es jedoch immer wieder beträchtliche Kollateralschäden: Wenn ein Posten (z.B. jüngst der neuen Wehrbeauftragten) primär nach dem Geschlecht und nicht nach Eignung vergeben wird, wenn nicht offen gesagt werden darf, dass bestimmte Migrationsgruppen zu Clankriminalität neigen, der politische Islam nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar ist, Asylanten mitunter Unterstützung erfahren, von der notleidende Deutsche nur träumen können, die Hausarbeit von Studenten zerrissen wird, weil diese sich weigern, “gendergerecht” zu verfassen oder von jedem in unserer Gesellschaft drohend eingefordert wird, die sog. „Ehe für alle“ uneingeschränkt toll bzw. verfassungskonform zu finden, fallen wir auf der anderen Seite vom Pferd, diskriminieren andere und sorgen eben nicht für die Gleichberechtigung aller Menschen. 

Daher plädiere ich für eine Abkehr der Empörungskultur, in der Vorwürfe häufig radikalisiert werden. Die Anschuldigung, der verhasste Diskussionspartner sei ein Nazi, kommt dieser Tage allzu oft über die Lippen. Damit werden nicht nur die Schrecken des Dritten Reiches unbeabsichtigt bagatellisiert - es werden auch Gräben gezogen, die unsere Gesellschaft spalten und einen Dialog unmöglich machen.
Der Begriff der „Rasse“ ist tief eingegraben in unsere deutsche Geschichte. Die Väter und Mütter unserer Verfassung wählten diesen Begriff mit Bedacht und in der Annahme, dass Menschen immer wieder dazu neigen werden, Minderheiten mit anderer Hautfarbe oder Abstammung zu diskriminieren. Der Begriff der „Rasse“ ist daher ein Monument in sich und mahnt uns, die Folgen zu bedenken, wenn wir den Nächsten auf äußere Merkmale reduzieren und stigmatisieren.
Daher ist es aus meiner Sicht schwerwiegend, den Begriff der „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, oder sonst wie zu ersetzen. Wenn wir dem Grundgesetz seine Historizität rauben, öffnen wir Tür und Tor für weitere Änderungen, wie z.B. einer „gendergerechten“, “laizistischen” oder ”agnostischen” Aufbereitung dieses mitunter 70jährigen Textes. Das führt jedoch am Kern des Problems vorbei und schafft neue Probleme, wie die ideologische Verwässerung unserer Verfassung.

Daher: Finger weg vom Grundgesetz- Historische Begriffe, die im Kontext einer Schreckensherrschaft damals wie heute stehen, sind zu belassen, sie haben eine Mahnmalfunktion und müssen eben nicht dem heute üblichen bzw. korrekten Sprachgebrauch entsprechen. Wir sollten unsere Bemühungen dieser Tage viel mehr auf den Auftrag ausrichten, den Artikel 3 unmissverständlich nennt: Die Bekämpfung des Rassismus.

Tim Behrensmeier - 10:40:21 @ Grundgesetz im Gespräch