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03.05.2020

Alle Menschen sind gleich- und Fußballer sind ein bisschen gleicher…

Paradox in besonderer Weise ist dieser Tage die Diskussion um eine Widereröffnung der Bundesliga.
Unlängst beschäftigt sich auch der Ethikrat mit dieser Frage. Reinhard Merkel plädierte für eine Öffnung, während er die angekündigten hygienischen Maßnahmen der Bundesliga als vorbildlich bezeichnet. Er würde sich mehr Engagement dieser Art in der Gesellschaft wünschen.
Das so eine Forderung im Ethikrat Unterstützung findet, wirft weitreichende Fragen auf:

Wie steht es um die soziale Gerechtigkeit und das Gleichheitsgebot aus Artikel 3 des Grundgesetzes? Für die einen gibt es Sonderrechte, während andere Mannschaftssportarten bis auf weiteres verboten bleiben? Hier könnte auch eine Diskussion in Gang treten, dass beispielsweise die Volleyballer ja eigentlich mit mehr Distanz auskommen, und vor dem Fußball zum Einsatz kommen sollten. Der Umstand, dass der Volleyball keine Milliardenindustrie im Rücken hat, spielt keine Rolle… Oder regiert am Ende doch wieder das Geld der Übertragungsrechte, welche die Bundesligaclubs bis zum Saisonende nun schon fest eingeplant haben, um ihre millionenschweren Spieler zu halten und ihre Funktionäre auszuzahlen?

Ebenso fordert die Fußballlobby mit Berufung auf Artikel 12 des Grundgesetzes dass die Bundesligaprofis ein Recht darauf hätten, ihren
Beruf frei auszuüben. Nur dumm, dass gerade ein intensiver Kontaktsport wie der Fußball so ziemlich das letzte ist, was bei einem grasierenden Virus mit Tröpfcheninfektion erlaubt sein sollte. Das Bild schwitzender Profis, die 90 Minuten medienwirksam all das tun, wovor Regierung, Virologen und Epidemiologen seit Wochen warnen, ist angesichts der ernsten Lage nur schwer zu ertragen. Eben noch Hygieneregeln, Abstand und Mundschutz- im nächsten Moment wilder Austausch von Körperflüssigkeiten…skurriler geht es fast nicht mehr.

Aber wieso kommen millionenschwere Bundesligavereine eigentlich nach so kurzer Zeit schon an die Insolvenzgrenze und verfügen trotz
vieler fetter Jahre über keine nennenswerten Reserven? 
Macht sich der Staat am Ende erpressbar, wenn er auf Drohungen vermeintlicher Insolvenzen mit Sonderrechten reagiert?
Wie geht die Fußballgemeinde mit der völlig reduzierten Stadionatmosphäre von Geisterspielen um? Und macht Fußball dann wirklich noch Spaß, wenn nach einer Infektion ganze Mannschaften in Quarantäne geschickt werden und dann das B- oder sogar C-Team antreten müsste?

Ungeklärt ist zudem, weshalb 25.000 benötigte Tests zur Dauerüberwachung dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung entzogen werden.
Sicherlich liegen die nationalen Testkapazitäten derzeitig um ein vielfaches höher, werden aber wohl aus finanziellen Gründen nicht vollständig abgerufen. Jetzt kommt König Fußball daher, sichert sich in verschiedenen Labors die Testkapazitäten und legt Bares auf den Tisch. Der DFB, welcher gerne seine Solidarität mit der Gesellschaft bekundet, könnte an dieser Stelle die 25.000 bezahlten Tests der Bevölkerung spenden und so für mehr Sicherheit in zahlreichen Alten- und Pflegeheimen sorgen. Aber mit guten Taten lässt sich im Fußball offenbar kein Geld verdienen…
 
Die ersten positiven Test beim 1.FC Köln und der Antrag der Basketballer, die Saison ebenfalls zu Ende spielen, lassen erahnen, wohin die Reise geht: Geisterspiele werden zum Totentanz und einmal mehr zeigt sich die kollektive Ungeduld einer Gesellschaft, die nicht wahrhaben will, dass eine Pandemie nur gemeinsam zu überwinden ist.

Die Diskussionen um die Widereröffnung des Bundesligabetriebes legen nahe: Wer viel Geld hat, darf sich mehr erlauben, als andere. Alle Menschen sind gleich (Art. 3 Grundgesetz)?….Das war gestern, neuerdings laufen Grundrechte Gefahr, relativiert zu werden.

Tim Behrensmeier - 13:53:02 @ Grundgesetz im Gespräch